Rezensionen

Rezensionen | 2020 – Dr. Uwe Rüth (Kunsthistoriker)

„Mama isst den Tod – Porträt Martina Werner“ von Monika B. Beyer

„Hier ist die Realität der Welt – da die Realität der Kunst, sprich:
Das Bild von der Welt –
Es ist eine platonische Frage, die beiden Realitäten auseinander zu halten.
Sie sind unlösbar miteinander verknüpft.“
Karl Gerstner

Die Welt der Künstlerin und die des Menschen Martina Werner ineinander zu verweben und sie zu einer Einheit zu verfestigen, gelingt in dem monografischen Film meisterhaft. Der auf Berichten, Interviews, Einschätzungen und Erlebnissen wie auf Dokumentationen der künstlerischen Äußerungen Werners aufbauende Film hat nichts Aphoristisches: Er selbst wird zu einem ganzheitlichen Bild eines Lebens, das tastend und suchend durch die Realität der Welt führt und diese mit einer breiten künstlerischen Durchdringung verrätselt und hierdurch gleichzeitig durchsichtiger macht. Von der Flucht aus dem bürgerlichen Leben in die dichterische Welt ihrer Monogramme, von dort in die Enklave künstlerischer Selbstfindung auf den Balearen und der Entwicklung eigener künstlerischer Ausdrucksmöglichkeiten bis zur Rückkehr nach Deutschland mit dem neuen Bewusstsein, Leben und Tod, Vergangenheit und Zukunft im „Augenblick und seiner Dauer“ festhalten zu können. So wird uns Martina Werner als suchende und findende Weltdeuterin vor Augen geführt. Der lange Weg. Das weite Land., der Titel der großen Aktion zum 100 jährigen Jubiläum des Künstlerdorfs Worpswede 1989, kann gleichzeitig als Titel ihres Lebenswerks gelten.
Besonders in ihren performativen Rezitationsdarbietungen der Monogramme zeigt sich die gebündelte Energie und der unbedingte Wille der Künstlerin. Die staunenswert entwickelten darstellerischen und stimmlichen Leistungen, durch welche die Intensität der Inhalte den Zuhörer und Betrachter erreicht, überzeugen. Mit der weiteren klanglichen Umschreibung der Darbietungen durch den kongenialen Objektkünstler und Musik-Performer Klaus van Bebber – in intensiven Diskussionen zwischen den Partnern sorgfältig erarbeitet – erfuhren die Auftritte eine entscheidende rhythmische und akustische Erweiterung: „Als Hörer taucht man in die Fluten der akustischen Eindrücke, zwischen Wort- und Tonwellen gibt es kein Aufatmen, nur Versinken“, schrieb eine faszinierte Kulturjournalistin. Schon in dem Nachwort zur Neuauflage der Monogramme 1986 sprach ich von dem „Phänomen Martina Werner“: „Sie, die wirkt wie das ursprüngliche schöpferische Chaos…und wie der liebste Mensch…, schreitet durch die künstlerischen Welten – Lyrik, Malerei, Naturkunst, Installation, Performance, Video – umfasst sie, prägt und annektiert sie für ihre welterfassende Sicht“.
So sehr Martina Werner auf ihrem „langen Weg“ auch immer wieder suchte und zauderte, unschlüssig wirkte und an sich selbst zweifelte, so sehr sind die endgültigen Ergebnisse dann doch gekennzeichnet von einer überzeugenden Stringenz und einer einfachen Direktheit, von der magischen Kraft ihrer Darstellungen und deren Ursprünglichkeit. Das Langzeit-Projekt und Gesamtkunstwerk Senor Mendoza und der C-Stamm, das lange die Kunst-Ausstellungen Werners bestimmte, ist wohl ihr bekanntestes Beispiel im Bereich der Bildenden Kunst für dieses Wirken.

Monika B. Beyer gelingt es, die eindringliche Wirkung der Kunst Martina Werners, und damit auch ihre Persönlichkeit, in einer erstaunlich ruhigen und unaufdringlichen aber eindrucksvollen Weise in dem Film zusammenzufassen, formal in zeitlich gut bemessenen Sequenzen zu collagieren und durch aufklärende und um- und beschreibende Beiträge von Zeitzeugen, Freunden, Kollegen und Fachleuten zu belegen. Mag auf den ersten Blick auch der Film für eine Künstlerbiographie mit 1 h 30‘ lang erscheinen: er ist jedoch keine Minute zu lang. Die Spannung hält von der ersten bis zur letzten Sekunde und es gibt keinen Moment der Langatmigkeit.
So erhält die 2018 verstorbene Martina Werner einen dem Werk und Leben angemessenen, überzeugenden Nachruf: Dank hierfür sei Monika B. Beyer und Peter Kuhweide.

„was sich einprägt
Ist nicht Dauer
was sich einprägt
Ist nicht Augenblick
was sich einprägt
ist eines Augenblicks Dauer“

Martina Werner, Monogramme I, I

Rezensionen | 2019 – Monika B. Beyer - Ich bin die Alte Hirsch

Rezensionen | 2009 – Dr. Rainer Beßling

Zeichnung und Zeichen, Spuren und Strukturen

Monika B. Beyer ist vorrangig in den Zwischenwelten und Übergangsbezirken der vermeintlichen Wirklichkeit und ihrer semantischen Fassung unterwegs. Die Offset-Druckfolien, die ihren Arbeiten zugrunde liegen, hat sie soweit abgeschabt, dass nur noch schwache Reste der digital aufgebrachten Informationen zu sehen sind. Statt derer hat sie nun wie auf historischen Schiefertafeln Schrift aufgelegt, die eine körperhafte Klanglichkeit und vielschichtige Begrifflichkeit besitzt. „Fingerbeuger“, das klingt nach zwanghafter Gymnastik im Gegensatz zum „Mädesüss“.
„Ihnen am Auge ist auch Mattpapier“ – was sich in der Wendung an Sprache zusammengefunden und gefügt hat, ist sperrig. Wahrnehmung wird hier zu einer heiklen bis hindernisreichen Maßnahme erklärt. Was sehen wir eigentlich auf dem matten Grund, auf dem sich hinter unserem Auge die optischen Funde und ihre begriffliche Decodierung treffen?

Monika B. Beyers hier präsentierte Bildtafeln sind Teil eines umfangreichen Gesamtprojekts, in dem sich die Künstlerin mit den Prozessen von Gestaltbildung befasst. „AscheSameWerde“, so lautet der poetische und zugleich philosophisch-physikalische Gesamttitels ihres Nachforschens und Nachspürens. Es gibt keine Materie, lautet eine der provokanten und in der Wissenschaft durchaus diskutierten Thesen, mit denen sich die Künstlerin bildnerisch beschäftigt. Anstelle von Materie können wir feinstoffliche Bewegungen als Grundstruktur der Realität begreifen, Schwingungen, die sich je nach Geschwindigkeit mehr im Ätherischen oder Stofflichen zuneigen, Verdichtungen von Energie, womit Raum und Zeit nicht mehr als unerschütterliche Grundlagen des Seins, sondern lediglich als Orientierungsinstrumente der Wahrnehmung gelten.Durch aus eine „Idee mit Speck“, um einen weiteren Sprachfund Beyers zu nehmen, eine metaphysische Wendung mit viel Fleisch, feinstofflich und griffig. In dieser transitorischen Zone befinden sich auch die Figurinen, die Sie neben Schwarzgrund und Schrift in den hier präsentierten Arbeiten der Künstlerin sehen. Es sind körperhafte Formen, die noch Gestalt werden wollen, dien auf eine Beseelung und individuelle Leibhaftigkeit zu warten scheinen. Zwischenwesen aus einem Gebräu von Grafit und Kaffeesatz, deren Konturen zwischen Verstreuen und Verdichtung oszillieren. Text

Rainer Beßling, Ausstellung 2015, Villa Ichon

Rezensionen | 2009 – Dr. Rainer Beßling

Drei Mantren für Pi und Pi - Portrait Gabriele Hasler

2009, 48 min

Der Begriff Gesang greift hier zu kurz. Gabriele Hasler geht der Stimme auf den Grund, schält Lautpoesie aus Wörtern und gibt Klängen eine haptische Körperlichkeit. Ihre Konzerte sind Performance und Rauminstallation. Ihre vokale Kunst reicht von der reinen Instrumentalfarbe über die Gedichtvertonung bis zum stimmlichen Ritus.

Die Bremer Filmemacherin Monika B. Beyer hat die Sängerin auf Konzerten und Proben begleitet und vor der Kamera mit einfühlender und teilnehmender Behutsamkeit interviewt. Ihr Portrait zeigt eine dem sinnlichen Stimmerlebnis wie der gedanklichen Klarheit gleichermaßen verpflichtete Künstlerin.

Gabriele Hasler selbst beschreibt ihre Entwicklung als eine lange Reise zum Laut. Sie geht diesen Weg mit Emotion und Eigensinn und nimmt viele stilistische Farben in ihr unverwechselbares Profilauf. Sie gräbt tief in verschiedenen Kulturen, dockt an Ausnahmekünstlern wie Gertrude Stein oder Oskar Pastior an und steckt schreibend neue Kontinente ab. Monika B. Beyer nimmt das Publikum mit auf die klangpoetische Recherche einer „komponierenden Archäologin“.

Dr. Rainer Beßling, Kulturjournalist

Rezensionen | 2007 – Tim Schomacker

Porträt des Komponisten, Geigers und Performers Christoph Ogiermann

„Es gibt keine Begrenzung für die Aufnahmefähigkeit, um nicht zu sagen: Verstehensfähigkeit jedes einzelnen Menschen“
Christoph Ogiermann (*1967)
„Wär´ ich aus China, würde man mich verstehen – Christoph Ogiermann“

47:00 min, 2007

…ein adäquater Film über einen ungewöhnlichen Künstler…

Zwei Jahre lang hat Monika B. Beyer den Komponisten, Geiger und Performer Christoph Ogiermann mit der Kamera begleitet: in Proben und Sessions, bei Gesprächen und Aufführungen zwischen Berlin, Paris, Hamburg und Dresden. Behutsam, aber zugleich mit aller gebotenen Schroffheit nähert sich dieser 47-minütige Portraitfilm dem Suchen nach Ausdrucksformen, der kalkulierten Rückkopplung von Aktion und Reflexion – und übersetzt das Suchen und Fragen des „Ogiermann-Kosmos“ in eine überzeugende Bildkomposition.

„Ich bin kein Komponist der nächsten bourgeoisen Generation“, sagt Ogiermann. „Wär’ ich aus China, würde man mich verstehen“ nimmt das ernst – und zeichnet zugleich das Bild eines zutiefst gegenwärtigen Musikarbeiters. Die roten Fäden in Ogiermanns musikalischem Denken und Handeln bilden das Gerüst dieses Portraits. Monika B. Beyer kontrastiert Gesprächssequenzen mit Musik und Location-Aufnahmen, lässt Tonspur und Bildgeschehen von einander fortlaufen und nimmt den Körper und die Gestik des Performers gleichsam im Ruhezustand in den Blick – all das weist „Wär´ ich aus China, würde man mich verstehen!“ als filmische Interpretation des gegenwärtigen Schaffens von Christoph Ogiermann aus.

Tim Schomacker, freier Journalist, Autor

Rezensionen | 2007 – Dietrich Eichmann

Porträt des Komponisten, Geigers und Performers Christoph Ogiermann

„Es gibt keine Begrenzung für die Aufnahmefähigkeit, um nicht zu sagen: Verstehensfähigkeit jedes einzelnen Menschen“
Christoph Ogiermann (*1967)
„Wär´ ich aus China, würde man mich verstehen – Christoph Ogiermann“

47:00 min, 2007

…ein adäquater Film über einen ungewöhnlichen Künstler…

Ich habe viele Filmportraits von Musikern, besonders Komponisten, gesehen. Normalerweise lassen solche Portraits die Komponisten und ihr jeweiliges Werk noch blutleerer akademisch erscheinen, als sie ohnehin sind. Nicht dieses. Monika B. Beyers Film kommt genau der sonst immer ausgelassenen Verbindung zwischen der Person und dem existentiell notwendigen Schaffen des Künstlers näher als irgendein anderer.
Deshalb kommt diese Empfehlung aus voller Überzeugung!

Dietrich Eichmann / oaksmus