Zeichnungen

Zeichnung und Zeichen, Spuren und Strukturen

Monika B. Beyer ist vorrangig in den Zwischenwelten und Übergangsbezirken der vermeintlichen Wirklichkeit und ihrer semantischen Fassung unterwegs. Die Offset-Druckfolien, die ihren Arbeiten zugrunde liegen, hat sie soweit abgeschabt, dass nur noch schwache Reste der digital aufgebrachten Informationen zu sehen sind. Statt derer hat sie nun wie auf historischen Schiefertafeln Schrift aufgelegt, die eine körperhafte Klanglichkeit und vielschichtige Begrifflichkeit besitzt. „Fingerbeuger“, das klingt nach zwanghafter Gymnastik im Gegensatz zum „Mädesüss“.
„Ihnen am Auge ist auch Mattpapier“ – was sich in der Wendung an Sprache zusammengefunden und gefügt hat, ist sperrig. Wahrnehmung wird hier zu einer heiklen bis hindernisreichen Maßnahme erklärt. Was sehen wir eigentlich auf dem matten Grund, auf dem sich hinter unserem Auge die optischen Funde und ihre begriffliche Decodierung treffen?

Monika B. Beyers hier präsentierte Bildtafeln sind Teil eines umfangreichen Gesamtprojekts, in dem sich die Künstlerin mit den Prozessen von Gestaltbildung befasst. „AscheSameWerde“, so lautet der poetische und zugleich philosophisch-physikalische Gesamttitels ihres Nachforschens und Nachspürens. Es gibt keine Materie, lautet eine der provokanten und in der Wissenschaft durchaus diskutierten Thesen, mit denen sich die Künstlerin bildnerisch beschäftigt. Anstelle von Materie können wir feinstoffliche Bewegungen als Grundstruktur der Realität begreifen, Schwingungen, die sich je nach Geschwindigkeit mehr im Ätherischen oder Stofflichen zuneigen, Verdichtungen von Energie, womit Raum und Zeit nicht mehr als unerschütterliche Grundlagen des Seins, sondern lediglich als Orientierungsinstrumente der Wahrnehmung gelten.Durch aus eine „Idee mit Speck“, um einen weiteren Sprachfund Beyers zu nehmen, eine metaphysische Wendung mit viel Fleisch, feinstofflich und griffig. In dieser transitorischen Zone befinden sich auch die Figurinen, die Sie neben Schwarzgrund und Schrift in den hier präsentierten Arbeiten der Künstlerin sehen. Es sind körperhafte Formen, die noch Gestalt werden wollen, dien auf eine Beseelung und individuelle Leibhaftigkeit zu warten scheinen. Zwischenwesen aus einem Gebräu von Grafit und Kaffeesatz, deren Konturen zwischen Verstreuen und Verdichtung oszillieren.

Text Rainer Beßling, Ausstellung 2015, Villa Ichon

Die Wörter und Sätze zeigen sie als Wortfinderin und -forscherin